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Risikopotential gentechnisch veränderter Pflanzen: Aktuelle Situation und wissenschaftlicher Stand

 

Mit Verweis auf mögliche unerforschte Schäden für Umwelt und Gesundheit, dem Fehlen unabhängiger Forschungsergebnisse und unter Berufung auf das Vorsorgeprinzip werden Anwendungen der klassischen Gentechnik und deren Produkte im Bereich der Landwirtschaft auch nach Jahrzehnten der Forschung zur Biosicherheit strikten restriktiven Regularien unterworfen und weitere Untersuchungen gefordert. Daran anknüpfend begegnet man nun den weitaus zielgenauer einsetzbaren neuen Techniken des Genome Editing im exakt gleichen Modus und unterwirft diese - entsprechend den derzeit gültigen europäischen Auslegungen - denselben strengen Regeln.

 

Ein Blick auf öffentlich finanzierte Forschungsprojekte der letzten 30 Jahre und die daraus generierten wissenschaftlichen Erkenntnisse lassen allerdings auf einen völlig anderen Sach- und Wissenstand schließen:

 

Bereits seit Ende der 1980er Jahre förderte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit über 100 Mio. Euro mehr als 300 Forschungsvorhaben zur biologischen Sicherheit, davon über 140 Projekte zu gentechnisch veränderten Pflanzen. Über 60 unabhängige universitäre Einrichtungen und Forschungsinstitute und hier wiederum über 500 Forschergruppen waren beteiligt. In den letzten drei Programmen seit 2000 ging es ausschließlich um mögliche Umweltauswirkungen gentechnisch veränderter Pflanzen. Versuche fanden in Labor, Gewächshaus und Freiland statt. Die beteiligten Wissenschaftler spiegelten die Vielfalt der deutschen Forschungslandschaft wider: Hoch- und Fachhochschulen, Institute der Bundesressortforschung, der Max-Planck- und Fraunhofer-Gesellschaft sowie der Leibniz- und Helmholtz-Gemeinschaft. Sie publizierten ihre Ergebnisse in anerkannten nationalen und internationalen wissenschaftlichen Fachzeitschriften und stellten sich damit einer Überprüfung durch die Wissenschaftsgemeinschaft (siehe Auswahl von Fachpublikationen am Ende der Broschüre, S. 47-53). Die wichtigste Schlussfolgerung lautete, dass die Biotechnologie und insbesondere die GVO per se nicht riskanter sind als z.B. konventionelle Pflanzenzüchtungstechniken.

 

Die Ergebnisse der BMBF-geförderten Sicherheitsforschung werden auch durch Forschungsarbeiten in europäischen Nachbarländern bestätigt. Der im August 2012 veröffentlichte Schlussbericht des Schweizer Nationalen Forschungsprogramms „Nutzen und Risiken der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen“ (NFP 59). kam ebenfalls zu dem Schluss, dass bei den mehrjährigen Forschungsarbeiten keine spezifischen Gesundheits- oder Umweltrisiken der Grünen Gentechnik festgestellt wurden. „Somit erweist sich eine Sonderbehandlung gentechnisch veränderter Pflanzen aus wissenschaftlicher Sicht zunehmend als fragwürdig“, so ein Zitat aus der Mitteilung zum Abschlussbericht.

 

Auch eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Europa-weit geförderten Sicherheitsforschung liegt seit 2010 vor. Aus den 130 Forschungsprojekten, die in den vorausgegangenen 25 Jahre mit insgesamt 300 Millionen Euro von der EU gefördert wurden, zog die EU-Kommission das Fazit, dass Gentechnik an sich keine größeren Risiken als konventionelle Methoden der Pflanzenzüchtung birgt Das englische Originalzitat lautet: „The main conclusion to be drawn from the efforts of more than 130 research projects, covering a period of more than 25 years of research, and involving more than 500 independent research groups, is that biotechnology, and in particular GMOs, are not per se more risky than e.g. conventional plant breeding technologies (Quelle)

 

Eine Metastudie der Universität Perugia (Italien) von Oktober 2013, die fast 1800 wissenschaftliche Publikationen – sowohl Originalarbeiten als auch zusammenfassende Artikel – zur Sicherheitsforschung an gv Pflanzen von 2002 bis 2012 ausgewertet hat, bestätigte ebenfalls, dass gentechnisch veränderte (gv) Nutzpflanzen keine wissenschaftlich nachweisbaren negativen Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit haben.

 

Weitere große Forschungsprojekte zur biologischen Sicherheit von GVO wurden von der EU-Kommission gefördert, so zum Beispiel

 

-          das Forschungsprojekt AMIGA , dem mit 22 Partnern aus 16 Ländern umfänglichste EU-Projekt zur biologischen Sicherheit von gv Pflanzen mit dem Ziel, Stakeholder, Hochschulen und die Öffentlichkeit mit wissenschaftlich fundierten Ergebnissen über die Nachhaltigkeit und praktische Indikationen zur Umweltrisikobewertung für gv Pflanzen zu liefern. Feldversuche, mathematische Modellierung und insgesamt 54 Monate Laborarbeit wurden aufgewendet, um die Wirksamkeit der EFSA-Richtlinien und ihren wissenschaftlichen Hintergrund praktisch zu testen und aus den erlangten Erkenntnissen entsprechende Empfehlungen zu formulieren.

 

-          das von 2012 bis 2016 durchgeführte Projekt GRACE (GMO Risk Assessment and Communication of Evidence) hatte das Ziel, einen umfassenden Überblick über die wissenschaftliche Datenlage zur Risiko- und Nutzen-bewertung von gentechnisch veränderten Pflanzen und daraus hergestellten Lebens- und Futtermitteln zu liefern. Hierbei wurden nicht nur Daten zu Umwelt- und gesundheitlichen Aspekten, sondern auch zu den sozioökonomischen Auswirkungen von GVO analysiert und systematisiert. Die Ergebnisse sollten als Grundlage für die Evaluierung der Rechtsgrundlagen für die Risikobewertung gentechnisch veränderter Pflanzen dienen.

 

-          das Projekt „GMP Two Year Safety Testing“ (G-TwYST) - Im von der Europäischen Kommission finanzierten Projekt (Laufzeit 2014 – 2018) wurden in Fütterungsstudien an Ratten die toxikologischen Auswirkungen von gentechnisch verändertem Mais (NK603) untersucht. Die Tierärztliche Hochschule Hannover und das JKI-Fachinstitut für die Sicherheit biotechnologischer Verfahren bei Pflanzen koordinierten das Projekt mit acht Partnern aus sechs EU-Ländern. Das internationale Wissenschaftlerteam testete die gv- Maissorte NK603 in einer 90-Tage- sowie in einer kombinierten Ein- und Zwei-Jahres-Fütterungsstudie. Im Fall der gv- Maissorte MON810 sollten Erkenntnissee über das mögliche krebserregende Potenzial in einer Zwei-Jahres-Studie gewonnen werden. Es ergänzte das Projekt GRACE. Alle-Studien entsprachen den dafür geltenden OECD-Richtlinien sowie den Vorgaben der EFSA. Es wurden keine Hinweise für gesundheitliche Beeinträchtigungen, die sich auf den NK603-Mais, Glyphosat oder eine Kombination von beidem zurückführen ließen, gefunden. „Die G-TwYST-Daten aus 90-Tage- und Langzeit-Tierstudien identifizierten keine potenziellen Risiken,“ so die Abschlusserklärung des Projekts im April 2017.

 

In das von Forschungsinstituten aus Großbritannien, Deutschland, den Niederlanden, Spanien und der Slowakei durchgeführte interdisziplinäre Projekt waren auch Interessengruppen (Stakeholder) einbezogen. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse wurde am 12. Februar 2019 in der Fachzeitschrift „Archives of Toxicology“ von 32 Autoren veröffentlicht .Die detaillierten Versuchsergebnisse stellt das JKI auf der eigenen Plattform allen Forschern und Interessierten frei zur Verfügung. Diese Plattform entstand in einem EU-Vorgängerprojekt und macht sämtliche Forschungsergebnisse und –daten aus drei Projekten mit Bezug zu Fütterungsstudien mit gentechnisch veränderten (GV) Pflanzen öffentlich zugänglich (GRACE/EU; G-TwYST/EU; GMO90+/FR).

 

-          das von 2012 bis 2015 von 11 Projektpartner aus 8 Ländern durchgeführte EU-Forschungsprojekt MARLON (Monitoring of Animals for Feed-related Risk in the Long Term) diente dazu, Antworten zu Risiko-Nutzen-Analysen und mögliche Auswirkung von GMOs auf die Tiergesundheit und Nahrungsmittelketten zu finden. Durch systematische Datenerhebung erfolgte die epidemiologische Risikoabschätzung zum möglichen Einfluss von gentechnisch veränderten Futtermitteln auf Nutztiere bzw. die tierische Lebensmittelketten. Es wurde auf den Weg gebracht, um Handlungsempfehlungen zur Überwachung von mit gentechnisch veränderten Futtermitteln verbundenen Risiken bei Nutztieren bereitzustellen. Die in kontrollierten Kurzzeit-, Langzeit- und Mehrgenerationen-Fütterungsversuchen gesammelten Daten ergaben keine nachteiligen Auswirkungen auf die Gesundheit der Tiere, die mit gentechnisch veränderten Zutaten gefüttert wurden. Wie mehrere Berichte angaben, können einige Effekte sogar positiv ausfallen - beispielsweise, dass insektenresistente, gentechnisch veränderte Kulturpflanzen geringere Werte an Mykotoxinen aufweisen.

 

Zusammenfassend kamen alle aufgeführten nationalen und internationalen wissenschaftlichen Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass gentechnisch veränderte Pflanzen keine spezifischen Gefährdungen für Umwelt oder Gesundheit darstellen. Diese Befunde finden allerdings nirgendwo Berücksichtigung.