Potentiale neuer genomischer Techniken (NGT) für eine nachhaltige Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

Im Rahmen eines vom Wissenschaftskreis Genomik und Gentechnik (WGG) organisierten Symposiums auf der Labvolution 2023 informierten und diskutierten Wissenschaftsexperten über aktuelle Fragestellungen zum Thema. Das Publikumsinteresse war groß.

 

Begrüßt von Prof. Dr. Klaus-Dieter Jany, dem Vorsitzenden des WGG, verfolgte ein interessiertes Publikum die Vorträge der drei anwesenden Fachwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler zu den Möglichkeiten, mithilfe neuer genomischer Techniken zukünftigen Herausforderungen an die Pflanzenzüchtung und Landwirtschaft zu begegnen. Veranschaulicht wurden die vielversprechende Lösungsansätze anhand konkreter Projekte. Ob und in welcher Form die Potentiale der NGT in Europa in naher Zukunft aber überhaupt genutzt werden können, wurde schließlich in einem Beitrag zur aktuellen Regulierungsdebatte erörtert.

Zunächst richtete PD Dr. Matthias Fladung vom Thünen Institut für Forstwirtschaft in Großhansdorf den Blick auf die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen zum Schutz der vom Klimawandel stark betroffenen Wälder, deren enorme Bedeutung als CO2-Senken und nachhaltige Sicherung der Holzversorgung er thematisierte.

 

So sind sie eine lebenswichtige Ressource für Mensch und Tier: Erholungsorte, Lebensraum und Lieferanten wichtiger Rohstoffe. Sie bedecken 30 Prozent der globalen Landfläche - in Deutschland sind es allein 11,4 Millionen Hektar. Die Ökosystemleistungen des Waldes sind vielfältig: Bäume speichern enorme Mengen an Kohlenstoff und sind eine wichtige Senke von Treibhausgasen im Klimasystem. Gesunde Wälder liefern nicht nur Holz, sondern sind auch die Grundlage für Biodiversität, halten Wasser im Boden und schützen ihn vor Erosion. Aber der Klimawandel bedroht unsere Wälder, Trockenheit und Schädlinge setzen den heimischen Baumarten wie z.B. Fichte oder Buche stark zu. Die beiden Trockensommer in den Jahren 2018 und 2019 haben bereits deutliche Spuren hinterlassen. Der Waldumbau, d.h. der Aufbau neuer, stabiler Wälder mit Bäumen aus warm-trockenen Gebieten, die trockenheits- und hitzetoleranter sind, als einheimische Arten ist eine sinnvolle Maßnahme, die Wälder fit für die zu erwartenden klimatischen Bedingungen zu machen. Eine weitere wäre die genetische Anpassung von Bäumen (Forstpflanzenzüchtung) unter Verwendung neuer genomischer Techniken. Eine Nachwuchsforschungsgruppe am Thünen-Institut für Forstgenetik arbeitet aktuell zu dieser Thematik.

Geht es um nachhaltigen Pflanzenschutz der Zukunft, so kann dies nur Reduktion durch Innovation bedeuten, so das Credo des Vortrages von Prof. Dr. Gabriele Krczal von der RLP Agroscience, einer gemeinnützigen GmbH aus Neustadt an der Weinstraße.

 

In der von der Europäischen Kommission im Juni 2022 vorgeschlagenen Reform der „Pestizidrichtlinie“ soll erstmals ein rechtlich verbindliches Reduktionsziel beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln festgeschrieben werden: Bis 2030 sollen, so die Ziele des europäischen Green Deal, 50 Prozent weniger chemische Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. Ferner sollen in Zukunft alle Pflanzenschutzmittel in „empfindlichen Gebieten“ verboten werden. Würde man allein auf Pflanzenschutzverbote setzen, würde dies schlussendlich zu Produktionsverlagerungen in Regionen außerhalb Europas und wachsenden Landverbrauch führen. Diese Effekte von Reduktion müssen daher durch die Anwendung von Innovation vermieden werden. Hierzu gehören, so die Ausführungen der Biologin, eine beschleunigte Anpassung von Pflanzensorten an biotischen und abiotischen Stress durch neue Züchtungsmethoden wie Genome Editing und der Ersatz chemischer Pflanzenschutzmittel durch RNA Technologien.

Über den aktuellen Stand der Regulierungsdebatte zu NGT in der EU schließlich informierte Prof. Dr. Klaus-Dieter Jany vom WGG. 

 

Unter NGT werden Mutageneseverfahren wie CRISPR/Cas oder TALEN verstanden, die eine gezielte Veränderung des Erbguts ermöglichen. Vor allem kleinere Genmodifikationen (SDN1 und SDN2), etwa zum Ausschalten eines einzelnen Gens, sind dadurch möglich geworden. Dabei werden häufig minimale Genveränderungen (Mutationen) herbeigeführt, die auch zufällig in der Natur oder durch traditionelle, nicht-gentechnische Züchtungsverfahren entstehen können. Mit NGT können also Pflanzen genetisch verändert werden, ohne Gene anderer, nicht verwandter oder kreuzbarer Arten einschleusen zu müssen), wie es bei transgenen Pflanzen (SDN3) der Fall ist. Werden also NGT genutzt, um einzelne Bausteine der DNA zu verändern (und nicht um ein neues Gen zu ergänzen), ist das Ergebnis in der Regel genetisch nicht von konventionell gezüchteten Pflanzen unterscheidbar.

 

In einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Juli 2018 wurde trotzdem klargestellt, dass auch die neuen Verfahren – ohne Differenzierung - zu Gentechnik im Sinne des europäischen Gentechnikrechts zu zählen sind. Sie benötigen entsprechend eine Zulassung nach dem EU-Gentechnikrecht. Nach einer Studie der EU-Kommission vom April 2021 sei der bisherige Rechtsrahmen der EU für gentechnisch veränderte Organismen allerdings unzureichend. Die Vorschriften sollen daher überarbeitet werden. Die Vorlage eines entsprechenden Gesetzesvorschlages wurde von der EU-Kommission noch für Juni 2023 angekündigt. Weitere Informationen

 

 „Denken Sie selbst“,

gab Moderatorin Prof. Dr. Gabriele Krczal den Teilnehmenden nach einer regen und konstruktiven Abschluss-diskussion als Appell zur eigenen Meinungsbildung mit auf den Weg. Die Thematik, so die Biologin, sei komplex, aber nicht undurchdringbar. Sachliche und verständliche Informationen rund um NGT werden von vielen wissenschaftlichen Akteuren angeboten. Sie unterstützen einen solchen objektiven Meinungsbildungsprozess und so mithin die Chance auf einen fairen gesellschaftlichen Diskurs. Denn: die zukünftigen Herausforderungen bedürfen innovativer und nachhaltiger Lösungen, andernfalls werden sie nicht zu bewältigen sein.