Genome Editing:
Zukünftigen Herausforderungen mit innovativen Techniken begegnen
Symposium des Wissenschaftlerkreis Grüne Gentechnik e.V. (WGG) im BIOTECHNICA FORUM der Labvolution 2019 in Hannover. Im Fokus: Mögliche Potentiale von Genome Editing in der Pflanzenzüchtung. Das Ziel: Sachliche Information als Beitrag zur objektiven Meinungsbildung. Diskussion inklusive.
Von den Fähigkeiten unserer Kulturpflanzen wird in Zukunft viel abhängen. Ein stetiges Wachstum der Weltbevölkerung, durch den Klimawandel bedingte Dürren und Überflutungen enormer Größenordnungen oder auch sich verändernde Lebens- und Ernährungsgewohnheiten, wie beispielsweise in Ländern wie China, stellen Züchter und Wissenschaftler vor große Anforderungen.
In der von Prof. Dr. Gabriele Krczal (RLP Agroscience) moderierten Veranstaltung standen zum einen konkrete Forschungsprojekte im Mittelpunkt, die sich darauf abzielen, mithilfe neuer Züchtungsmethoden zukünftigen Herausforderungen an die Landwirtschaft erfolgreich zu begegnen. Zum andern wurden die aktuellen regulatorische Fragestellungen beleuchtet, die weitreichenden Einfluss auf die weitere Entwicklung genomeditierter Pflanzen in Deutschland und Europa haben werden.
Vor diesem Hintergrund zeichnet Dr. Tobias Brügmann vom Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei (vTI) in einem anschaulichen Exkurs zunächst ein konkretes Profil der durch den Klimawandel beschleunigten zukünftigen Herausforderungen. Eine davon ist der steigende Energiebedarf und die damit einhergehende Notwendigkeit an nachwachsenden Rohstoffen.
Schnell wachsende Bäume, wie beispielsweise die Pappel, könnten erheblich zur Erzeugung von Bioenergie beitragen. Ein Projekt, mit dem sich der Wissenschaftler am vTI befasst, hat das Ziel, Pappeln mithilfe von Genome Editing so zu optimieren, dass sie beispielsweise Nährstoffe effizienter nutzen und eine höhere Verträglichkeit gegenüber Trockenheit und hohen Temperaturen aufweisen. So könnten Bäume gezüchtet werden, die auf nährstoffarmen Böden ein optimales Wachstum und somit einen optimalen Holzertrag bringen würden. Sie könnten zudem auch an Standorten wachsen, die für Nahrungspflanzen nicht in Frage kommen. Eine Auseinandersetzung, die bei „Energiepflanzen“ wie Mais oder Raps geführt wird, würde sich bei Bäumen zudem erübrigen. Die „Teller-Tank-Diskussion“ wäre gleich um zwei wesentliche Streitpunkte entschärft.Die Nutzung von Biomasse zur Energiegewinnung aus nachwachsenden Rohstoffen spielt bereits heute eine bedeutende Rolle. Ohne ihren Ausbau, da ist Brügmann sicher, ist die Energiewende nicht zu schaffen.
Nachhaltige Lösungen für Umwelt und Ernährung
Prof. Dr. Karl-Heinz Kogel von der Justus-Liebig-Universität Gießen thema-tisierte die effektiven Lösungsansätze durch Anwendung von
Genome Editing anhand von Mehltauresistenz bei Weizen. Mehltau, der zu Ertragseinbußen von bis zu 30 Prozent führen kann, wird konven-tionell durch den Einsatz von Fungiziden bekämpft.
Prinzipiell stellte er heraus, dass der Anbau von Kulturpflanzen heute ohne Pflanzenschutz nicht möglich sei – auch im Biolandbau nicht. Mithilfe von Genome Editing könnte es wiederum gelingen,
eine dauerhafte Resistenz von Weizen gegen Mehltau zu erreichen, was auch eine beträchtliche Reduzierung chemischer Pflanzenschutzmittel zur Folge hätte. An der Universität Gießen arbeitet ein
Team um Kogel in einem entsprechend erfolgversprechenden Projekt.
Das EuGH-Urteil zu Mutageneseverfahren und mögliche Auswirkungen
Mit dem im Juli 2018 vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) verkündete Grundsatzurteil zur Einordnung von Mutageneseverfahren befasste sich Prof. Dr. Klaus-Dieter Jany, Vorsitzender des Wissenschaftlerkreis Grüne Gentechnik e.V.. Nach dem Richterspruch sind alle Organismen (Mikroorganismen, Pflanzen und Tiere), die durch Mutagenese-Verfahren erzeugt wurden, als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) im Sinne der GVO-Richtlinie einzustufen. Dies schließt auch die Organismen ein, die mit Hilfe der in
Anhang 1 B aufgeführten Methoden (ionisierende Strahlen, mutagene Chemikalien) gewonnen wurden. Diese Organismen unterliegen jedoch nicht den strengen Auflagen einer Risikobewertung für Mensch und Umwelt und müssen auch nicht gekennzeichnet werden. Grund: Sie haben sich bereits in praktischer Anwendung befunden und gelten „seit Langem“ als sicher. Alle mithilfe von Genome-Editing-Verfahren entstandenen Organismen unterliegen wiederum den strengen Statuten des Gentechnikgesetzes. Der Wissenschaftler sieht hierdurch beträchtliche Auswirkungen auf die weitere wissenschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung in den EU-Staaten. Grundlagenforschung in geschlossenen Systemen wird weiterhin möglich sein, doch schon Freisetzungsversuche - Basis für jeden praktischen Ansatz – wären kaum umsetzbar. Ergo: Für die europäische Forschung bleiben die Methoden des Genome Editing kaum nutzbar.
Die enormen Zulassungskosten wiederum könnten nur von multinationalen Unternehmen, nicht aber von kleinen und mittelständischen Züchtern getragen werden. Eine Konzentration auf wenige Konzerne, so Jany, sei deshalb vorprogrammiert.
Eine Anpassung der auf dem wissenschaftlichen Kenntnisstand der 1990er Jahre basierenden Freisetzungsrichtlinie 2001/18 (Gentechnikgesetz) an den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik, so der Wissenschaftler, sei lange überfällig.
„Denken Sie selbst“,
gab Moderatorin Prof. Dr. Gabriele Krczal den Teilneh-mern als Appell zur eigenen Meinungsbildung mit auf den Weg. Die Thematik, so die Biologin, sei komplex, aber nicht undurchdringbar. Sachliche und verständliche Informationen rund um das Thema Genome Editing werden auch von vielen wissenschaftlichen Einrichtungen und Akteuren angeboten. Sie unterstützen einen solchen objektiven Meinungsbildungsprozess und so mithin die Chance auf einen fairen gesellschaftlichen Diskurs. Denn: die zukünftigen Herausforderungen bedürfen innovativer und nachhaltiger Lösungen, andernfalls werden sie nicht zu bewältigen sein. (sas)
Präsentationen der Teilnehmer:
Fit für den Klimawandel
Dr. Tobias Brügmann Thünen-Institut für Forstgenetik, Großhansdorf bei Hamburg
Nachhaltige Lösungen für Umwelt und Ernährung
Prof. Dr. Karl-Heinz Kogel, Justus-Liebig-Universität Gießen
Das EuGH-Urteil zu Mutageneseverfahren und mögliche Auswirkungen
Prof. Dr. Klaus-Dieter Jany, Wissenschaftlerkreis Grüne Gentechnik e.V. (WGG), FfM
Kontakt:
Wissenschaftskreis Genomik und Gentechnik e.V. (WGG)
Nelkenstraße 36
76351 Linkenheim-Hochstetten
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