Ob mittels Genome Editing veränderte Organismen als „gentechnisch verändert“ gelten oder nicht, ist derzeit rechtlich nicht eindeutig geregelt. Am 18. Januar 2018 hat der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) ein Vorabentscheidungsersuchen vorgelegt. Er vertritt hier die Ansicht, dass durch Mutagenese gewonnene Organismen grundsätzlich von den in der Richtlinie über genetisch veränderte Organismen geregelten Verpflichtungen ausgenommen sind. In den kommenden Monaten ist mit einer Entscheidung des EuGH zu rechnen, von der eine gewisse Richtungsentscheidung über die Anwendbarkeit des geltenden Gentechnikrechtes auf die modernen Züchtungsverfahren erwartet wird. Der VBIO hat gemeinsam mit dem Wissenschaftlerkreis Grüne Gentechnik (WGG) und weiteren seiner Mitgliedsgesellschaften aus den Bereichen Botanik, Molekularbiologie und Biotechnologie ein Impulspapier vorgelegt, das einen pragmatischen Rahmen für eine differenzierte Bewertung skizziert.

 

Genome Editing und die Definition von Gentechnik
Die sich rasant entwickelnden Methoden des Genome Editing führen in vielen Fällen zu Veränderungen, die genau so auch in der Natur bereits vorkommen oder dort spontan entstehen können. Dies wirft die Frage nach der rechtlichen Einstufung von derart veränderten Organismen auf, die keine artfremde DNA enthalten und so nicht der geltenden juristischen Definition eines transgenen, gentechnisch veränderten Organismus entsprechen.

 

Die bestehenden gesetzlichen Definitionen – die ausgearbeitet wurden, lange bevor die erwähnten neuen biotechnologischen Methoden verfügbar wurden – ermöglichen in vielen Fällen keine klare Orientierung mehr. Auch stellt sich die Frage, wie eine sinnvolle, nachvollziehbare und rechtssichere Regulierung und deren Kontrolle bei Organismen erfolgen kann, bei denen eine gezielte Erbgutveränderung nicht nachzuweisen ist, da sich diese nicht von natürlichen Varianten unterscheidet.

 

Zu beachten ist, dass die Definition, ob ein Organismus als «gentechnisch verändert» eingestuft wird (GVO) oder nicht, erhebliche Auswirkungen auf die Sicherheitsvorschriften sowie auf das Zulassungsverfahren und die Kennzeichnung solcher Organismen und daraus hergestellter Produkte hat.

 

Pragmatische Interpretation bestehender Gesetze
Die mittelfristige Notwendigkeit einer Revision des Gentechnikgesetzes steht im Raum. Bis dahin müssen aber auch unter dem geltenden Gentechnikgesetz Möglichkeiten eröffnet werden, die Instrumente des Genome Editing nach sorgfältiger Abwägung von Stärken, Schwächen und möglichen Risiken verantwortungsvoll und auf sicherer Rechtsgrundlage anzuwenden. Dies gilt für alle Anwendungsfälle – ganz explizit auch für den Bereich der Pflanzenforschung.

 

Der VBIO hat daher gemeinsam mit dem Wissenschaftlerkreis Grüne Gentechnik (WGG) und weiteren Mitgliedsgesellschaften aus den Bereichen Botanik, Molekularbiologie und Biotechnologie bereits vor einiger Zeit ein Impulspapier zum Genome Editing bei Pflanzen  vorgelegt.

 

Nach Ansicht der Verfasser lässt sich die Frage, ob die neuen Züchtungstechniken gentechnisch veränderte Organismen gemäß geltendem Gentechnikrecht erzeugen, nicht pauschal beantworten. Es ist nicht ausschlaggebend, dass bei der Anwendung der Technik eine genetische Veränderung durch Menschenhand erzeugt wird. Vielmehr muss in Hinblick auf § 3 des geltenden deutschen Gentechnikgesetzes berücksichtigt werden, ob die mit den neuen Methoden erzeugte Veränderung auf natürliche Weise hätte entstehen können.

 

Unter der Prämisse des geltenden Gentechnikgesetzes schlagen die Verfasser eine pragmatische Zuordnung der derzeit diskutierten Methoden des Genome Editing zu folgenden Kategorien vor:

 

– GE-1: Verfahren, die zu einer Mutation (Punktmutation, kurze Deletion oder Insertion) in der DNA der Pflanzen führen;

 

– GE-2: Verfahren, bei denen ein kurzes Stück DNA in die pflanzliche Erbinformation integriert wurde, das nahezu identisch zur ursprünglichen Sequenz ist, aber einzelne Basenänderungen enthält;

 

– GE-3: Verfahren, bei denen DNA integriert wird, die neben der ursprünglichen Sequenz ein längeres DNA-Fragment (mehr als 20 Basen) oder ein komplettes Gen eines anderen Organismus beinhaltet, was mittels molekulardiagnostischer Verfahren nachweisbar ist.

 

Nimmt man das Vorhandensein von längeren DNA-Fragmenten (mehr als 20 Basen) oder von Genen anderer Organismen in den mittels Genome Editing erzeugten Pflanzen als Kriterium, dann fallen mit GE-1- und GE-2-Methoden hergestellte Pflanzenlinien nicht unter die Begriffsbestimmung nach § 3.3 des geltenden deutschen Gentechnikgesetzes. Dieses stuft ausdrücklich nur einen solchen Organismus als gentechnisch verändert ein, dessen „genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt“.

 

Diese pragmatische Interpretation der geltenden Rechtslage kann maßgeblich zur Schaffung von Rechtsicherheit beitragen. Sie ermöglicht es Biowissenschaftlern, sich auch künftig an wissenschaftlicher und züchterischer Innovation zu beteiligen und verschafft darüber hinaus allen Akteuren Zeit und Luft für die anstehende Grundsatzdebatte.