Bereits im Jahr 2007 hatten Mitgliedstaaten bei der EU-Kommission angefragt, inwieweit die noch aus den früheren 1990er Jahren stammenden EU-Gentechnik-Gesetze auch auf neue Züchtungstechniken anzuwenden seien.

 

Aus diesem Grund wurde in der EU die New Techniques Working Group (NTWG) eingerichtet, in die jeder EU-Mitgliedstaat zwei Experten entsenden konnte. Die NTWG hat, organisatorisch unterstützt von der Europäischen Kommission, neue molekularbiologische Techniken beschrieben und daraufhin geprüft, ob sie im Sinne der EU-Richtlinien 2001/18/EG und 2009/41/EG zu GVO führen oder nicht. Die Aufgabe der Arbeitsgruppe war es, mit dem Bericht ihre Erkenntnisse den EU-Staaten als technischen Ratschlag verfügbar zu machen. Im Dezember 2011 legte die NTWG der Europäischen Kommission einen abschließenden Bericht (final report) vor. Dieser wurde von der EU jedoch nie offiziell veröffentlicht, sondern zirkulierte nur bei den nationalen Fachbehörden. Die wichtigsten Schlussfolgerungen finden sich in veröffentlichten Empfehlungen dieser Organe, so der Stellungnahme der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit ZKBS in Deutschland von 2012 und dem Bericht der Eidgenössischen Fachkommission für biologische Sicherheit EFBS in der Schweiz zu neuen Pflanzenzuchtverfahren vom Mai 2015 (siehe dort).

 

Sowohl der Bericht der Expertenarbeitsgruppe der EU-Mitgliedstaaten, der NTWG, als auch die der European Food Safety Authority – EFSA und des Joint Research Center der EU - JRC arbeiten heraus, dass die Mehrzahl der neuen Züchtungsmethoden nicht unter die geltende Definition für einen gentechnisch veränderten Organismus fallen bzw. durch die bereits existierenden Ausnahmen von der Anwendung der Gentechnikregeln ausgenommen sind. Grund: Die Pflanzen, die mit den neuen Methoden entstehen, unterscheiden sich nicht von konventionell gezüchteten Pflanzen. Mehrfach wurde diesbezüglich eine abschließende Stellungnahme angekündigt. Diese ist allerdings bis heute nicht erfolgt. Ein klärendes Rechtsgutachten steht aus.

 

Im Sommer 2016 wurden die hochrangigen Experten des «Scientific Advice Mechanism» (SAM), dem wissenschaftlichen Beratungsgremium der EU Kommission, aufgefordert, eine wissenschaftliche Erläuterung der neuen Techniken im Bereich der landwirtschaftlichen Biotechnologie vorzulegen. Die Kommission machte allerdings deutlich, dass sie hierbei keine juristische Einschätzung wünscht. Die wichtigsten Beobachtungen dabei waren,

 

  • dass sich die neuen Techniken der landwirtschaftlichen Biotechnologie (einschließlich Genome Editing und andere) signifikant voneinander unterscheiden und ihre Zusammenfassung in einer Gruppe aus wissenschaftlicher und technischer Sicht nicht optimal ist.
  • dass die neuen Techniken sehr vielseitig sind und eine Reihe von Veränderungen an Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen bewirken können. Diese können die Insertion von Genen der gleichen oder anderer Spezies umfassen, aber auch die direkte Modifikation der genetischen Sequenz eines Organismus in einer präzisen und gezielten Weise, ohne die Zugabe von DNA zum Genom der Endprodukte. Einige neue Techniken – zum Beispiel solche, die nur das Epigenom beeinflussen - verändern die genetischen Sequenzen überhaupt nicht.
  • dass die Präzision und Kontrolle über vorgenommene Veränderungengrößer ist als bei der Verwendung von konventionellen Zucht- oder etablierten Techniken der genetischen Veränderung.
  • dass die Bewertung der Sicherheit (Umwelt, Gesundheit usw.) der Organismen, die durch die neuen Techniken erzeugt werden, nur von Fall zu Fall erfolgen kann, wobei unter anderem berücksichtigt werden muss: die spezifische Mutation; unbeabsichtigte Effekte; die Spezies, in die die Mutation eingeführt wird; die Umgebung, in der das Endprodukt verwendet wird; die angewandte landwirtschaftliche Praxis und ihre geplante Verwendung.

 

Der Bericht des SAM wurde im April 2017 veröffentlicht und dient der Unterstützung der Kommissionsmitglieder in öffentlichen Debatten mit Interessenträgern.

 

Am 18. Januar 2018 schließlich veröffentlichte Michal Bobek, der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), ein Vorabentscheidungsersuchen . Das oberste rechtsprechende Organ der Europäischen Union soll darüber entscheiden, ob die unter Genome Editing zusammengefassten Techniken im Sinne des Gentechnikrechtes bzw. der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG reguliert werden müssen oder nicht. Nach Einschätzung von Generalanwalt Bobek gelten erbgutveränderte Organismen nur dann als GVO und müssen auch als solche reguliert werden, wenn ihr „genetisches Material so verändert worden ist, wie es auf natürliche Weise nicht möglich ist“. Dies bedeutet: Wird eine Veränderung im Erbgut herbeiführt, die man mit Mutationen und Kreuzungen auch hätte erreichen können, dann fällt das entstandene Produkt nicht unter die Kontroll- und Kennzeichnungspflicht laut EU-Richtlinie 2001/18/EC. Ausschlaggebend ist danach nicht der Prozess, sondern das Produkt.