Neue genomische Techniken als Chance für mehr Nachhaltigkeit - Warum wir eine differenzierte Regelung brauchen

 

Ø  Die Richtlinie 2001/18/EC (Gentechnikgesetz), basierend auf dem Wissen der 1990er Jahre, wird dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik nicht gerecht und ist daher für innovative Technologien wie die neuen genomischen Techniken (NGT) nicht geeignet.

 

Ø  Die EU-Kommission hat in Ihrer 2021 veröffentlichten Studie die Potentiale der NGT zur Bewältigung zukünftiger Herausforderungen herausgestellt und will im Rahmen eines vorgelegten Fahrplans die gesetzlichen Regelungen „an den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt anpassen“.

 

Ø  Die GVO-Gesetzgebung der EU unterscheidet sich von der vieler anderer außereuropäischer Länder. Diese behandeln Pflanzen nicht als GVOs, wenn sie lediglich Veränderungen aufweisen, die sich von natürlichen Mutanten oder konventionellen Züchtungen nicht unterscheiden lassen und keine fremde DNA enthalten. Diese Regelungen entsprechen auch dem aktuellen Stand der Wissenschaft.

 

Ø  Bereits relativ geringfügige Änderungen des existierenden Regelwerks würden es erlauben, die Europäische GVO-Gesetzgebung an den Stand von Wissenschaft und Technik anzugleichen.

 

Ø  Eine pauschale rechtliche Einstufung von genomeditierten Pflanzen als GVO ist aus wissenschaftlicher Sicht in vielen Fällen nicht nachvollziehbar: Mit den NGT können kleine Mutationen oder größere Genomänderungen erzeugt werden. Wurden nur kleine Änderungen im Genom vorgenommen, ist eine derartige Pflanze nicht unterscheidbar von einer, die durch konventionelle Mutagenese oder natürlicherweise entstanden ist.

 

ØNeue Pflanzen müssen entsprechend ihrem Risikopotential auf ihre Auswirkungen auf die Umwelt und ihre Unbedenklichkeit für den menschlichen oder tierischen Verzehr geprüft werden. Dabei sollen sie nach ihren Eigenschaften, aber nicht nach der Art ihrer Erzeugung bewertet werden.

 

Ø  Eine wissenschaftlich nachvollziehbare Regulierung der NGT ist essenziell um zur Bewältigung ökologischer, ökonomischer und gesellschaftlicher Herausforderungen beizutragen -dies beispielsweise in Hinblick auf dringend benötigte klimaresilientere, nährstoffreichere, gesündere und ertragreichere Nutzpflanzen.

 

Ø  Nicht die starre Einhaltung einer formal juristischen Bewertung bestimmter Züchtungswege kann das Ziel sein, sondern die gewünschte Nachhaltigkeitsbilanz. Und zwar in allen Dimensionen: ausreichende und gesunde Nahrungsmittel für eine wachsende Weltbevölkerung einhergehend mit umwelt- und klimafreundlicher Produktion.

 

Ø  Ohne technologische und züchterische Innovationen wird es nicht gelingen, in Europa hinreichend Lebensmittel zu erzeugen, ohne gleichzeitig zu Lasten der Biodiversität neue Flächen in die landwirtschaftliche Nutzung zu nehmen.

 

Ø  Der fortschreitende Klimawandel und die Notwendigkeit einer nachhaltigen und ressourcenschonenden Landwirtschaft machen es notwendig, die herrschende Konfrontation zwischen „ökologisch/konventionell/gentechnisch“ zu beenden. Nur so kann die EU ihre eigenen Ziele erreichen – etwa bis 2030 den Einsatz „chemischer Pestizide“ zu halbieren oder den Anteil von Öko-Landwirtschaft auf mindestens ein Viertel zu steigern (Farm to Fork-Strategie)“

 

Eine Kombination aus Ökologischem Landbau und NGT wäre hilfreich, um auch mit weniger Flächen- und Ressourcenverbrauch auf längere Sicht eine ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln gewährleisten zu können.

 

Ø  Kleine und mittelständische Unternehmen sowie Forschungseinrichtungen können die NGT mit vergleichsweise geringem finanziellem Einsatz nutzen. Eine breite Anwendung wäre daher innovationspolitisch sinnvoll, da die Vielfalt der Herangehensweisen schnelles Lernen, diversifizierte Lösungsansätze und mehr Partizipation ermöglicht.

 

Ø  Aus einer Nicht-Anpassung der Gentechnikgesetzgebung ergeben sich dauerhafte negative Auswirkungen für Forschung und Entwicklung.

o   Die geltenden Gentechnikgesetzgebung verringert die Bereitschaft, in Forschung zu investieren. Dringend benötigte klima- und krankheitsresilientere, ertragreichere und gesündere Pflanzen können nicht zeitnah gezüchtet werden.

o   Durch den Wegfall von Forschungsförderung (siehe z.B. BMEL) droht ein massiver Know-how-Verlust in Deutschland und Europa.

o   die Nutzung der Potentiale der NGT wird zunehmend zum Privileg einer kleinen Gruppe finanzstarker multinationaler Konzerne werden. Das macht Investitionen in Forschung und Entwicklung in Europa unattraktiv. Die europäische Forschung wird im internationalen Wettbewerb zurückfallen.

Ø  Die veraltete GVO-Gesetzgebung der EU wird absehbar zu Störungen des internationalen Handels führen und Konsequenzen für die Nahrungsmittelsicherheit haben. Denn: viele der durch NGT erzeugten Veränderungen sind identisch mit natürlich auftretenden Mutationen und lassen sich oft nicht nachweisen. Damit kann die aktuelle GVO-Gesetzgebung der EU bei Kontrollen importierter Ware gar nicht durchgesetzt werden.

 

Ø  Verantwortungsvoller Umgang mit technologiebedingten Entwicklungen bedeutet, die positiven und negativen Effekte gegeneinander abzuwägen, zu beobachten um ggf. steuernd einzugreifen. Das Vorsorgeprinzips darf dabei nicht an spekulative Risiken anknüpfen, sondern ist wissenschaftsbasiert anzuwenden.

 

 

Kontakt:

Wissenschaftskreis Genomik und Gentechnik e.V. (WGG) zentrale@wgg-ev.de, www.wgg-ev.de   

Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland e. V (VBIO) berlin@vbio.de, www.vbio.de